Kolonistenhaus, Koloniestraße 57-59

Das unscheinbare Siedlerhaus von 1784 ist das letzte Zeugnis des friderizianischen Kolonisierungsprogramms für den Berliner Norden. Als ältestes Weddinger Wohnhaus steht es für die Geschichte Preußens und die des Wedding gleichermaßen und vermittelt trotz der im Laufe seiner Geschichte erfolgten Veränderungen ein weitgehend unverfälschtes Bild von der Lebenswelt seiner frühesten Bewohner und ihrer Nachfolger.

Seit 1772 ließ König Friedrich II nördlich der Berliner Stadtmauer “ausländische” Obst-Gemüsebauern ansiedeln, um die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln sicherzustellen.

Auch an der heutigen Koloniestraße, die damals ein einfacher Sandweg war, wurden daher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Gärtner aus Böhmen angesiedelt. Sie erhielten Häuser, Vieh, Obstbäume, Saatgut und Ackergeräte sowie bestimmte Steuerfreiheiten und waren vom Militärdienst befreit.

In den eingeschossigen Kolonistenhäusern lebten jeweils zwei Kolonisten mit ihren Familien; die Gebäude waren durch einen Gang geteilt, an dessen Ende zwei Kochstellen lagen. Als Wohnraum standen je eine Stube und eine Kammer zur Verfügung. Bei dem Haus in der Koloniestraße 57 handelt es sich um die Hälfte eines Kolonistenhauses.

Jede Familie bewirtschaftete 5 Morgen Garten, dessen Ertrag die Kolonisten auf den Markt nach Berlin liefern sollten. Gebäude und Land mussten drei Generationen in der Hand der Familie bleiben, ehe sie verkauft werden durften. Die Grundstücke reichten häufig bis zur Panke, um den Wasserbedarf der Gemüsekulturen sicherzustellen.

Als die landwirtschaftliche Bewirtschaftung sich nicht mehr lohnte, ließen sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Gerber auf den Grundstücken nieder, die das Wasser der Panke für ihr Gewerbe nutzten.

Den früher häufigen Überschwemmungen der Panke ist es wohl zu verdanken, dass das Gelände um das Haus in der Koloniestraße 57 unbebaut und von Gartenland umgeben blieb.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurden auf dem Grundstück mehrere heute noch sichtbare Nebengebäude errichtet. Viele Betriebe waren hier ansässig, und wer eine feine Nase hat, riecht noch heute die letzte Nutzung des Anwesens: Hier wurden bis vor einigen Jahren Forellen geräuchert, die allerdings längst nicht mehr aus der Panke stammten.